Ökomarketing: 80 Prozent der Öko-Logos droht das Aus


von Gerrit-Milena Falker, Donnerstag, 18. September 2025
 
 
   
Ökomarketing: Künftig müssen Nachhaltigkeitssiegel durch eine unabhängige Stelle zertifiziert werden.
Stresstest für die FMCG-Branche: Nachhaltigkeitssiegel müssen künftig von offiziellen Zertifizierungssystemen abgesegnet sein. Viele unternehmenseigene Logos dürften dies nicht überleben. Derweil läuft sich der TÜV bereits als potenzielle Prüfstelle warm.
 
In einem Jahr wird in den deutschen Supermarkt- und Drogerieregalen eine drastische Bereinigung stattfinden – und 80 Prozent der Nachhaltigkeitssiegel werden von den Produkten verschwinden. Das wird insbesondere von Herstellern und Händlern selbst entwickelte Logos zu ökologischen oder sozialen Aspekten treffen: Siegel, die nicht unabhängig zertifiziert sind und eine grüne Anmutung haben – mit abgebildeten Blümchen oder blumigen Aussagen zum Schutz der Artenvielfalt, fairen Arbeitsbedingungen und dergleichen.
 
“Es wird geschätzt, dass aufgrund des Aufwands nur etwa 20 Prozent der Unternehmen die Kriterien zur Abbildung eines Nachhaltigkeitssiegels erfüllen wollen und werden”, heißt es in dem jüngst beschlossenen Regierungsentwurf zur Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
 
Das neue UWG setzt die EmpCo-Richtlinie um, soll ab dem 27. September 2026 greifen – und wird für die FMCG-Branche zum Stresstest. Nachhaltigkeitssiegel dürfen dann nur noch von staatlichen Stellen stammen oder auf einem von einer dritten Stelle überprüften Zertifizierungssystem basieren; selbst-kreierte Siegel soll es nicht mehr geben.
 
Vieles ist in operativer Hinsicht noch ungewiss – etwa, wer die “unabhängigen Dritten” sein sollen, die das dem Siegel zugrundeliegende Zertifizierungssystem überprüfen dürfen. Für die bekannten Labels – etwa die der Anbauverbände – scheint das geklärt. “Für Bioland & Co. werden das weiterhin die unabhängigen Ökokontrollstellen sein”, meint eine Managerin aus der Biobranche. Fairtrade erklärt: “Die wichtigste Fairtrade-Zertifizierungsstelle ist Flocert, eine nach ISO 17065 akkreditierte Zertifizierungsstelle. Daher gehen wir derzeit davon aus, dass das Fairtrade-Siegel auf einem Zertifizierungssystem basiert, das der EmpCo entspricht.”
 
TÜV spricht von einer “perspektivisch größeren Rolle”
Derweil läuft sich beispielsweise der TÜV als potenzielle Zertifizierungsstelle warm. “Wir werden aufgrund unserer Expertise perspektivisch eine noch größere Rolle bei der Zertifizierung von Nachhaltigkeitssiegeln spielen”, sagt Juliane Petrich, Referentin beim TÜV-Verband.
 
Bereits heute seien die TÜV-Unternehmen in Systeme wie das staatliche Siegel “Grüner Knopf” eingebunden – oder in freiwillige Unternehmenssiegel, die schon jetzt auf dem künftig verpflichtenden Dreiecksverhältnis “Siegelgeber – Siegelnehmer – unabhängiger Zertifizierer” beruhen. “Allerdings habe ich den Eindruck, dass viele Unternehmen die EmpCo noch nicht so auf dem Radar haben und sich aufgrund der blockierten Green-Claims-Richtlinie in Sicherheit wiegen.”
 
Bereits vor Inkrafttreten des UWG stellen sich juristische Fragen. “Verwendet man als Werbender das Nachhaltigkeitssiegel eines Dritten, sollte man künftig vorab prüfen, ob von diesem die strikten Vorgaben dafür erfüllt werden, da die Nutzung eines unzulässigen Nachhaltigkeitssiegels zu Lasten des Werbenden geht”, sagt Andreas Bauer, Partner bei Taylor Wessing.
 
Was aber passiert, wenn der Siegelgeber nicht bescheinigt, dass sein Siegel unabhängig zertifiziert ist? “Diese Frage stellt sich durchaus schon jetzt – bei länger haltbaren Produkten, die heute verpackt werden und in einem Jahr noch in den Regalen stehen”, meint Hildegard Schöllmann, Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen. “Man kann diskutieren, ob den Siegelgeber – der bereits jetzt absieht, dass er die künftigen UWG-Anforderungen nicht erfüllen kann – eine aktive Hinweispflicht trifft.”
 
Aus Sicht von Schöllmann sind Hersteller und Händler, die ein Nachhaltigkeitssiegel nutzen, einem großen Risiko ausgesetzt, wenn sich nach Aufbringen des Logos herausstellt, dass dieses unlauter ist. “Hier wird es Folgeprobleme geben – von der Rücknahmepflicht bis hin zur Kündigung des Lizenzvertrags”, meint die Kölner Juristin.

Quelle: Lebensmittelzeitung

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